Deutsche Friedensgesellschaft Münster

Rede von Joachim Schramm, Landesgeschäftsführer der DFG-VK NRW bei der Mahnwache zum Red Hand Day am 12.2.2021 vor dem Landtag NRW

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Liebe Freundinnen und Freunde,

sehr geehrte Abgeordnete und Mitarbeiter des Landtages NRW, wenn Sie mich von hier aus auch hören können!

Mein Name ist Joachim Schramm und ich spreche hier für die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) NRW. Gemeinsam mit der Landesschüler*innenvertretung (LSV) sind wir Mitglied im Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“. Wir wenden uns gegen die vor allem auf junge Menschen zielende Werbung der Bundeswehr an und im Umfeld von Schulen. Und ich finde es toll, dass heute hier trotz der Kälte und trotz Corona doch so viele gekommen sind, um gemeinsam hier zu protestieren.

Heute vor 19 Jahren, am 12. Februar 2002 trat das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention in Kraft, das den Einsatz von Kindern im Krieg verbietet. Aus diesem Anlass findet jedes Jahr weltweit der sogenannte Red Hand Day statt, der Proteststag gegen Kindersoldaten mit dem Symbol der Roten Hand, mit dem Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene deutlich machen: Halt, Stopp, den Einsatz von Kindern und Jugendlichen im Krieg beenden! Mehrere hunderttausend Kinder werden immer noch weltweit zur Teilnahme am Krieg gezwungen, im Kongo, im Sudan, in Afghanistan, in Myanmar, in 19 Ländern insgesamt. Was sie dabei erleben oder erleiden müssen, das können wir uns nur schwer vorstellen. Und deshalb müssen wir den Protest dagegen aufrechterhalten und die Unterstützung für das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention stärken.

Doch die ursprüngliche Forderung von Kinderschutzorganisationen, eine klare Grenze bei 18 Jahren auch bei der Einberufung, s.g. ein Straight 18 zu ziehen, stieß auf den Widerstand diverser Staaten. Und daher verbietet das Zusatzprotokoll zwar den Einsatz von Minderjährigen im Krieg, bei der Einberufung gibt sie jedoch nur eine Empfehlung ab. Doch dieser Empfehlung haben sich immerhin 150 Staaten angeschlossen und rekrutieren keine unter 18-jährigen mehr. Ausgerechnet Deutschland gehört hier zur Gruppe der unrühmlichen Ausnahmen. Regelmäßig stellt die Bundeswehr unter 18-jährige als Freiwillige ein, 2020 waren es 1.148, etwas weniger als im Vorjahr, vielleicht auch bedingt durch Corona oder vielleicht auch Ergebnis der anhaltenden jährlichen Proteste. Der UN-Ausschuss für die Rechte der Kinder hat Deutschland zuletzt 2014 aufgefordert, das Mindestalter der Rekrutierung auf 18 Jahre festzulegen.

Schulpolitik ist Ländersache und Ministerin Gebauer könnte hier aktiv werden. Sie könnte der Militärministerin AKK zu verstehen geben, dass Bundeswehrwerbung in und an Schulen nicht erwünscht ist. Frau Gebauer hat es darüber hinaus in der Hand, hier die Bundeswehr zumindest in NRW in ihre Schranken zu weisen. Warum gibt das Schulministerium keine Empfehlung an die Schulen, bei Jobbörsen keine Bundeswehr einzuladen? Warum empfiehlt sie den Schulen nicht, keine Berufsbildungsmessen mehr zu besuchen, an denen die Bundeswehr teilnimmt? Die Landesregierung könnte ihre Autorität ins Spiel bringen und deutlich machen, dass sie in NRW keine Werbung für und keine Rekrutierung von Minderjährigen wünscht. Das würde es den Lehrerinnen und Lehrern und den SchülerInnenvertretungen leichter machen, die an ihren Schulen dieser Werbung der Bundeswehr kritisch gegenüber stehen und sich dagegen wenden. Doch stattdessen hält Gebauer und die ganze Landesregierung an der Kooperationsvereinbarung fest, die vor über 10 Jahren mit der Bundeswehr abgeschlossen wurde. Wir rufen heute hier am Red Hand Day dazu auf, diese unsägliche Kooperationsvereinbarung zu kündigen!

Statt die Rekrutierung Minderjähriger zu beenden hat die Militärministerin im letzten Jahr einen neuen Freiwilligendienst an den Start gebracht, der ebenfalls auf Minderjährige zielt. Unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“ können jährlich 1.000 junge Menschen eine 7-monatige Grund- und Spezialisierungsausbildung bei der Bundeswehr machen und werden danach „heimatnah“ in den sogenannten regionalen Reserveeinheiten eingesetzt. In einem Zeitraum von dann 6 weiteren Jahren sollen die jungen Menschen für insgesamt 5 Monate an den Reserveübungen teilnehmen, die sie in 30 regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) im ganzen Bundesgebiet absolvieren können. An der Waffe ausgebildet werden – wie immer beim Freiwilligen Wehrdienst – schon junge Menschen ab 17 Jahren. 1/5 der Bewerber*innen für den neuen Dienst waren im Jahr 2020 unter 18 Jahre alt. Auffällig ist auch die Werbung für diesen Dienst: Das Logo dafür besteht aus dem Schriftzug „Dein Jahr für Deutschland“ mit Schwarz-Rot-Goldener Applikation. In einem Werbevideo heißt es: „Unser Wir braucht mehr von Dir. Schütze unsere Heimat. Wenn wir Dich stark machen, machst Du ein ganzes Land stark. Schütze unsere Heimat. Erlebe Kameradschaft. Mit dem Neuen Dienst in Deiner Region. Zusammenhalt in Deutschland beginnt bei Dir.“ Offenbar richtet sich dieser neue Dienst vor allem an eher rechtsstehende Jugendliche.

Was ist der Hintergrund dieses neuen Freiwilligendienstes? Der Bundeswehr fehlt es an Nachwuchs: Etwa 22.000 Stellen in der deutschen Armee sind unbesetzt. Die seit Jahren mit großem finanziellem Aufwand betriebene Aufrüstung steht im Gegensatz zum fehlenden Personal. Die Bewerbungszahlen für den bisherigen freiwilligen Wehrdienst sind rückläufig und auch zuvor konnte der Personalbedarf schon nicht gedeckt werden. Man reagiert also offenbar auf die Unlust der meisten Jugendlichen mit der Bundeswehr in kriegerische Auslandseinsätze zu ziehen. Der neue Dienst verzichtet darauf und versichert den Bewerber*innen, dass sie nur in Deutschland eingesetzt werden. Doch schon bisher wurden die im Ausland kämpfenden Einheiten von den in Deutschland tätigen Truppen unterstützt und entlastet. 2012 hat die Bundeswehr die Rolle der s.g. Reservisten, also der ehemaligen Wehrdienstleistenden und ausgeschiedenen Soldaten, gestärkt. In dem damals erstellten Reservistenkonzept heißt es „Reservisten werden dazu unabhängig von ihrer Ausbildung und ihrer Verfügbarkeit in allen Aufgabengebieten der Bundeswehr eingesetzt.“ Und in diese Reservisteneinheiten werden nun auch die neuen Freiwilligen eingebaut und tragen mit dazu bei, die Kriegsfähigkeit der Bundeswehr aufrecht zu erhalten. Wer also meint, der neue Dienst habe nichts mit Krieg zu tun, der oder die irrt sich gewaltig.

Gleichzeitig wird auch die Fähigkeit der Bundeswehr zum Einsatz im Inneren gestärkt. Reservisten sollen (ich zitiere) „Verteidigungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe (…), zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem Notstand“ übernehmen. Der innere Notstand reicht dabei von unliebsamen Großdemonstrationen bis zu umfassenden Streikaktivitäten, in deren Zusammenhang Reservisten und auch die neuen Freiwilligen also zum Einsatz kommen können. Damit wird die Trennung, die das Grundgesetz aus gutem Grund zwischen zivilen Aufgaben des Staates und einem militärischen Vorgehen macht, schrittweise aufgeweicht und beiseite geschoben. Das erleben wir auch in diesen Corona-Monaten, wo immer mehr Soldaten in Pflegeheimen und Gesundheitsämtern Dienst tun, weil der Staat nicht genug ziviles Personal für diese Aufgaben finanzieren kann. Denn unsere Steuergelder fließen ja schon Jahr für Jahr immer stärker in das Militär.

Damit muss Schluss sein! Wir wollen keine Bundeswehreinsätze im Inneren aber auch keine Kriegseinsätze. Wir wollen keine Minderjährigen in der Armee und keinen neuen militärischen Freiwilligendienst. Die zivilen Freiwilligendienste gehören ausgebaut, mit mehr Geld für die darin Tätigen. Und wir sagen: Bundeswehr raus aus den Schulen! Unter 18 nie!

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