Verschiedene Friedensinitiativen Münsters haben heute anlässlich des internationalen Tages gegen den Einsatz von Kindersoldat:innen (Red Hand Day) am 12. Februar die Anregung „Information der minderjährigen Jugendlichen über ihr Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe ihrer persönlichen Daten an die Bundeswehr“ gem. § 24 Gemeindeordnung NRW beim Rat der Stadt Münster eingereicht. Die Unterzeichner:innen regen an:
Die Stadt Münster setzt sich für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ein, nach der ein Einsatz von Minderjährigen als Soldat:innen verboten ist. Die Stadt Münster wird ab sofort die betroffenen minderjährigen Bürger:innen über die beabsichtigte, rechtlich vorgeschriebene Weitergabe der persönlichen Daten per Brief informieren. Die Information beinhaltet zudem den Hinweis auf das Widerspruchsrecht gegen die Datenweitergabe und ein entsprechendes Formblatt für den Widerspruch.
Begründung:
Nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist die Stadt Münster durch § 58c des Soldatengesetzes in Verbindung mit § 18 Absatz 7 des Melderechtsrahmengesetzes verpflichtet, bis zum 31. März eines jeden Jahres die Daten der Bürger:innen, die im Jahr darauf volljährig werden, an die Bundeswehr weiterzuleiten. Die Bundeswehr erhält durch die Kontaktdaten der minderjährigen Jugendlichen die Möglichkeit zu gezielten Werbemaßnahmen. Viele der Jugendlichen sind zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt.
Im Januar 2022 hat die Stadtverwaltung nach unserer Anregung vom 31.3.2021 zum ersten Mal in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass Jugendliche ein individuelles Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe ihrer persönlichen Daten an die Bundeswehr haben. In diesem Jahr sind das vor allem die Jugendlichen, die 2006 geboren wurden.
Leider mussten wir erfahren, dass die Stadtverwaltung 2023 nicht einmal diesen Weg der Information beschreiten will, sondern lediglich im Amtsblatt auf dieses Recht hinweisen würde. Damit reduziert sich die Information der Jugendlichen über ihr Widerspruchsrecht de facto auf Null. Dabei ist der besondere Schutz minderjähriger Jugendlicher bei der Weitergabe von Daten unabdingbar.
In unserer Anregung lfd. Nr. 2021-00063 „Information der Jugendlichen über ihr Widerspruchsrecht bei der Datenweitergabe an die Bundeswehr“ vom 31.3.2021 haben wir bereits die direkte Information der betroffenen Jugendlichen gefordert. Dies wurde vom Oberbürgermeister im Schreiben vom 27.4.21 mit der Begründung abgelehnt, ein erheblicher Personal- und Kostenaufwand sei aus seiner Sicht nicht zu rechtfertigen. Damit wird für uns die Verpflichtung der Stadt zum besonderen Schutz der minderjährigen Mitbürger:innen verkannt.
Wir bitten deshalb den Oberbürgermeister seine Position zu überdenken und die ca. 2000 betroffenen Jugendlichen per Brief über ihr Recht zu informieren.
Nach der UN-Kinderrechtskonvention ist der Einsatz von Minderjährigen als Soldat:innen verboten. In Deutschland werden dagegen bei der Bundeswehr und beim neuen Heimatdienst Jugendliche unter 18 Jahren an der Waffe ausgebildet. Seit 2011 haben über 15000 minderjährige Jugendliche ihren Dienst bei der Bundeswehr begonnen. Jeder vom Verteidigungsministerium gemeldete Unfall, sexuelle Übergriff oder Suizid in dieser Gruppe ist eine Kinderrechtsverletzung.
Das hat am 13.10.2022 auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes erneut gefordert und Deutschland wegen der andauernden Rekrutierung Minderjähriger scharf kritisiert: „Sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung und andere Formen der Gewalt gegen minderjährige Soldat*innen bei der Bundeswehr müssen dringend untersucht und die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Das Rekrutierungsalter für die Bundeswehr muss auf 18 Jahre angehoben werden. Jegliche Werbung und Marketing bei Minderjährigen für den Militärdienst, insbesondere an Schulen, muss verboten werden.“*
Die Zahl der Kriegsdienstverweiger:innen hat bedeutend zugenommen. Grund dafür ist der Krieg in der Ukraine und die Angst vor einer möglichen Beteiligung von Soldat:innen der Bundeswehr. Diese Tatsache unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit, die Jugendlichen über ihr Widerspruchsrecht konkret und für sie nachvollziehbar zu informieren. Eine Begrenzung auf die Mitteilung im Amtsblatt kann dies selbstverständlich nicht leisten, da die Jugendlichen auf diesem Weg nicht erreicht werden.
Wir bitten den Oberbürgermeister deshalb dringend, die Verwaltung möglichst umgehend anzuweisen, die etwa 2000 betroffenen Schüler:innen über ihr Recht in dem von uns ausgeführten Sinne zu informieren. Die Begründung des Oberbürgermeisters, dies nicht zu tun, weil dafür kein Geld zur Verfügung stehe, erscheint uns unverhältnismäßig. Am 12.02.2023 ist der internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldat:innen (Red Hand Day), sicher eine gute Gelegenheit, aus diesem Anlass für die Stadt Münster tätig zu werden.
Wir würden uns freuen, wenn der Oberbürgermeister/Mayer for Peace an den Aktionen zum Red Hand Day beteiligt. Wir veranstalten dazu eine Mahnwache am Sa. 11.02.2023 von 11-13 Uhr vor dem Rathaus.
Dieser Hinweis richtet sich selbstverständlich auch an die friedenspolitischen Sprecher:innen der Fraktionen und der Ratsgruppe „Volt“.
Gerade im 375. Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens und vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges in der Ukraine sollten Jugendliche die Möglichkeit bekommen, sich mit dem, was Krieg und Frieden für sie persönlich bedeuten, vertieft zu befassen und ihre eigene Position dazu zu finden.
Die Erstunterzeichner:innen:
Jewgenij Arefiev, ehrenamtlicher Geschäftsführer/Sprecher der Gruppe Münster, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner:innen (DFG‐VK)
Hugo Elkemann, Friedenskooperative Münster
Dr. Brigitte Hornstein, IPPNW Münster
Maria Buchwitz, Diözesanvorsitzende von pax christi Münster
Anlagen online zum Herunterladen:
1) Unsere Anregung vom 31.3.21: https://dfgvk.blog.muenster.org/wp-content/uploads/sites/13/2021/03/Stadt-Muenster-Rathaus-01_Neuanregung-1.pdf
2) Das Antwortschreiben vom OB Markus Lewe vom 27.04.2021: https://dfgvk.blog.muenster.org/wp-content/uploads/sites/13/2023/02/Antwort-OB-Lewe-v.-27.04.2021-auf-Anregung-v.-31.03.2021.pdf
3) Unsere Anregung vom 9.2.2023:
Artikel im: Februar 2023
PM vom 2.02.2023: Die Mahnwachen „Frieden schaffen ohne Waffen“ im Februar 2023 in Münster
Die Friedenskooperative Münster und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Münster setzen die Friedensmahnwachen unter dem Mottorischen Rathaus auf dem Prinzipalmarkt im Februar 2023 freitags von 15-17 Uhr fort. Lediglich am Freitag, den 24.2.2023 findet die Mahnwache dort bereits ab 11 Uhr statt, weil die beiden Veranstalter an dem Tag die Menschenkette vom Friedenssaal Münster zum Friedenssaal Osnabrück „peace now!“ zwischen Münster und Osnabrück mitgestalten und zur Teilnahme aufrufen.
Mehr Infos zur Menschenkette: www.friedenskette23.de