Deutsche Friedensgesellschaft Münster

Friedenspolitisch bedeutende Rede von Anne Sandner, Organisationssekretärin des DGB Münsterland am 1. Mai 2021 auf der Kundgebung „Solidarität ist Zukunft“ in der Stubengasse, Münster

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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,


Solidarität ist Zukunft! Solidarität ein Begriff aus unserem gewerkschaftlichen Grundverständnis, was in letzter Zeit arg strapaziert und neu definiert wird: Solidarisch ist man in diesen Zeiten alleine.

Die Corona-Pandemie ist eine enorme Belastung für unsere Gesellschaft. Sie zeigt zum einen wie unter einem Brennglas, welche Ungerechtigkeiten und Probleme existieren, zum anderen verschärft sie viele Konflikte. Dabei sind es häufig die ohnehin Benachteiligten, die von der Krise und ihren Folgen mit der größten Härte und Wucht getroffen werden – Menschen in prekärer Beschäftigung, Menschen mit Behinderungen, Beschäftigte in der Altenpflege, Menschen mit Migrationsvorgeschichte, Kinder aus bildungsfernen Haushalten und Frauen, die wieder verstärkt in alte Rollenmuster gedrängt werden.

Es ist nachvollziehbar, wenn viele Menschen frustriert sind, Ängste und Sorgen haben und die Krisenpolitik der Bundesregierung kritisch hinterfragen. Kritik an der Krisenpolitik sollte aber dort eine Grenze haben, wo die Gesundheit und das Leben anderer gefährdet werden. Wer, wie es heute u.a. wieder am Aasee passiert, das Virus und seine Gefahren schlicht leugnet und für sich darauf pocht, sich an keine Regeln halten zu müssen, kritisiert nicht die staatliche Autorität, sondern ist rücksichtslos egoistisch. Niemand darf die Pandemie als Vorwand nehmen, um Demokratieverachtung, Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Hass Gehör zu verschaffen. Unter dem Deckmantel der Verteidigung von Grundrechten und Freiheit hat sich eine gefährliche Mischung aus Rechts-extremisten, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern und Esoterikern zusammengefunden, um ihre Hetze zu verbreiten. Wer gemeinsam mit Rechtsradikalen auf die Straße geht, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, verteidigt sie nicht, sondern greift sie an. Deshalb fühlt euch aufgefordert euch an den Gegenaktivitäten wie heute am Aasee oder in den nächsten Wochen immer wieder zu beteiligen. Diesen Gruppierungen überlassen wir in dieser Stadt keinen Meter! Heute ist unser Tag, Unser Tag der Arbeit! Heute geht unsere Botschaft von diesem Platz aus: Unsere Solidarität ist die Grundlage unserer Demokratie. Unsere Solidarität ist die Grundlage des Zusammenhalts in unserer vielfältigen Gesellschaft! Unsere Solidarität ist Zukunft!

Solidarität in einer Krise, wie dieser zu leben, heißt aber auch stärker miteinander zu sein und sensibler auf Ungleichheiten zu schauen. Die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen sind wie unter einem Brennglas hervorgetreten. Es sind insbesondere Frauen, die die Alten pflegen, die die Krankenhäuser reinigen, die an den Kassen sitzen, die Überstunden machen, die unfreiwillig in Teilzeit schuften. Sie können mit diesen Tätigkeiten nicht ins Homeoffice und tragen das höchste Risiko sich mit Corona anzustecken. Klatschen ist nett, reicht aber nicht! Frauen haben in diesen Zeiten bei geschlossenen Kitas, Schulen und Pflege notgedrungen die Betreuung übernommen, auf Kosten von Arbeit und Einkommen. Corona schleudert Familien mit Lichtgeschwindigkeit zurück in alte Rollenbilder. Es sind die Frauen, die dank unbezahlter Familienarbeit einkaufen, kochen putzen, pflegen und sich ums HomeSchooling kümmern und auf ihr Einkommen verzichten. Jetzt ist Zeit für bessere Arbeitsbedingungen, faire Löhne und für eine Umverteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Familien- und Hausarbeit zwischen Männern und Frauen. Damit wir keine Rolle rückwärts machen und alte Rollenbilder zementieren, muss Gleichstellung ganz oben auf der Agenda stehen. Es müssen moderne Arbeitszeitmodelle her und die Verantwortung für die Familie muss solidarisch fair verteilt werden.


Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung waren wichtige Pfeiler um auch in Zeiten der Pandemie möglichst gute Arbeitsbedingungen und Absicherungen für die Beschäftigten zu schaffen. Aber Sozialpartnerschaft ist kein Kuschelkurs und in den laufenden Tarifauseinandersetzungen nutzte das Arbeitgeberlager die Krise für ihre Interessen: für Personalabbau, Verlagerungen, Lohndrückerei und Abschaffung erkämpfter Standards. Sie wollen mit langen Laufzeiten den Status Quo halten, die Krisenlasten auf die Beschäftigten abwälzen und alle fortschrittlichen Ideen mit überzogener Untergangsstimmung abwehren. Aber Nach der Pandemie ist Vor der Transformation. Digitalisierung, Globalisierung, Klimaschutz und den sozial ökologischen Umbau unserer Wirtschaft werden wir nur mit und nicht gegen die Beschäftigten erfolgreich meistern können. Hierfür ist Mitbestimmung eine wichtige Voraussetzung, denn nur ein mitbestimmtes Unternehmen ist auch ein nachhaltiges Unternehmen. Deshalb muss der Gesetzgeber die Attraktivität von Tarifverträgen unterstützen. Tarifflucht und Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung muss eingeschränkt werden, dafür brauchen wir die Fortgeltung von Tarifverträgen bei Ausgliederungen, die Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitserklärung, ein Bundestariftreuegesetz und die Stärkung betrieblicher Mitbestimmungsrechte, auch was das digitale Zugangsrecht für die Arbeitnehmerinnenvertretungen betrifft.

Solidarität ist Zukunft, auch in der digitalen Welt!

Wir in den Gewerkschaften haben uns jederzeit für eine solidarische Krisenpolitik eingesetzt, die die Folgen der Pandemie für alle abmildert und niemanden allein lässt. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 87 Prozent, Kinderbonus, verlängertes Arbeitslosengeld sowie ein leichterer Zugang für diese Unterstützung, um nur einiges zu nennen —- milliardenschwere Konjunktur– und Investitionsprogramme.

Mit dieser solidarischen Unterstützung sichern wir Zukunft! Für den Moment wichtig und richtig, aber es wäre schön, wenn sie mit Bedingungen verknüpft und gerecht genutzt werden:

Wer seine Beschäftigten in Kurzarbeit schickt und gleichzeitig Gewinn generiert, die dann an als Rendite an die Aktionäre ausgeschüttet werden, handelt unmoralisch. Unmoralisch ist aber auch das System, dass genau dies rechtssicher zulässt. Die einen bekommen Geld ohne es an Bedingungen wie Beschäftigungsgarantien oder Investitionen in eine soziale und ökologische Transformation zu knüpfen, während andere sich in dieser Zeit für ihr Überleben Kredite ans Bein binden müssen, ohne überhaupt zu wissen, ob und wie es für sie nach der Krise weitergehen kann. Das ist nicht nur unmoralisch, sondern höchst ungerecht.

Umfragen zufolge halten 80% der Deutschen unser Wirtschaftssystem für sozial ungerecht. Über die Hälfte sind der Meinung, dass kleine Veränderungen nicht ausreichen, sondern die Wirtschaft umfassend reformiert werden muss. Im September dieses Jahres haben wir Bundesbürger die Gelegenheit mit unserem Wahlkreuz darüber zu entscheiden, für ein „Weiter so“ – kleine Verände-rungen oder einen Politikwechsel hin zu einer gerechten Gesellschaft.

Die Frage: Was ist eine gerechte Gesellschaft? sollte jede und jeder für sich selbst beantworten und wird dabei feststellen, dass die Antworten sehr umfassend und sicherlich nicht vollständig sein werden.

Was aber sicher ist: Wir sind in der falschen Richtung unterwegs. Eine seit 20 Jahren verschärfte neoliberale Politik der Privatisierung, Deregulierung, Umverteilung zu den Reichen, Ökonomisierung aller Lebensbereiche und dem Abbau des Sozialstaates hat viele Folgen: eine stärkere Ellenbogenmentalität; die Zunahme befristeter, schlecht bezahlter und unsicherer Jobs; Reallohnverluste; Renten, die zunehmend Armut bedeuten; Kumpanei der Regierung mit der Großindustrie; Explosion der Mieten; Weigerung von Regierung und Industrie die Klimakrise wirklich zu bekämpfen; Aufrüsten statt Abrüsten, Zweiklassenmedizin; auf Gewinn getrimmte Krankenhäuser, Pflegenotstand; Bildungsungerechtigkeiten, Sparpolitik zulasten der Infrastruktur und öffentlicher Aufgaben und und und.

Gleichzeitig sind wir auf dem Weg in eine Klimakatastrophe und Umweltzerstörung existenziellen Ausmaßes, als Folgen einer Wirtschafts- und Lebensweise, die Natur und Umwelt vorrangig als Ausbeutungsobjekt sieht und nicht als Le-bensgrundlage achtet.

Gerechtigkeit ist eine Verteilungsfrage, und die Frage Was Wie gerecht verteilt wird, wird sich eine Gesellschaft immer wieder neu stellen müssen. Auf einige dieser Bereiche werde ich im Folgenden eingehen, ohne alles und schon gar nicht im Detail beleuchten zu können:

Die Corona-Krise hat zu einem starken Anstieg der Staatsverschuldung geführt, was sich durch richtige und wichtige Rettungspakete, steigende Sozialausgaben und hohe Steuerausfälle leicht begründen lässt. Ein Umstand, der für einen Staatshaushalt nicht weiter tragisch ist, denn ein Staat ist nicht mit den Gedanken einen schwäbischen Haushalt zu führen – „spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ ist völliger Quatsch für einen Staatshaushalt, der zwar keine unsinnigen Ausgaben tätigen sollte, aber nicht sparen muss. Für den Staat gelten andere Regeln. Tragisch ist allerdings die Schuldenbremse, die ohne Not eingeführt wurde und den Staat in seinen Möglichkeiten absurderweise stark einschränkt. Diese Schuldenbremse ist zwar aktuell bis 2025 ausgesetzt, was aber bedeutet, dass sie uns dann mit aller Macht treffen wird. Ich muss auch nicht groß das Orakel befragen, um mir vorzustellen, welche Ausgabenstellen im Staatshaushalt es künftig an den Kragen gehen wird. Es wird „Arbeit und Soziales“ sein, bei dem gekürzt wird – auch hier ist Sparen das falsche Wort! Hier gilt es gemeinsam wachsam zu sein und den Abbau unseres schon jetzt arg gebeutelten Sozialstaats zu verhindern, bzw. noch besser ihn zukunftsfähig weiter zu entwickeln.

Der Kanzlerkandidat der CDU Armin Laschet hat direkt nach seiner Nominierung losgelegt. Er weicht bereits den Boden unserer Rentenversicherung auf, indem er mal wieder die Rente mit 70 in die Debatte einbringt, was ja eine faktische Rentenkürzung ist, da ja niemand bis 70 wirklich arbeiten kann.

Hier nebenbei bemerkt, wir reden seit dem Herbst letzten Jahres nur noch über Personen, Olaf Scholz, Baerbock oder Habeck, Söder oder Laschet. Dabei kann ich im September bei denen gar kein Kreuz machen. Ich wähle gar nicht das Gesicht, das mich demnächst von allen Laternenpfählen und Großplakaten anlächelt, sondern eine Partei, die mit ihrem Programm über die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidet und dabei haben manche Parteien jetzt noch nicht mal ein Wahlprogramm..

Uns als abhängig Beschäftigten sollte aber wichtig sein, was im Wahlprogramm steht und da bitte ich euch, in den hoffentlich folgenden inhaltlichen Diskussionen in dem kommenden Sommer, auf folgende Punkte besonders zu achten: Rente, Gesundheit, Arbeitszeit, Frieden, Klima, Bildung, Wohnen und Steuerpolitik.

Rente:

Die Rente ist das, das alle abhängig Beschäftigten nach einem langen Arbeitsleben sehnsüchtig erwarten und hoffentlich lange genießen können.

Norbert Blüm hat mit seinem Satz: „Die Renten sich sicher“ bis heute viel Spott und Satire eingeheimst und damit letztendlich dafür gesorgt, dass heute ob Jung oder Alt meint verstanden zu haben, dass die Renten nicht sicher und schon gar nicht ausreichend sind und Jede und Jeder für sein persönliches Auskommen im Alter selbst zu sorgen hat. Doch in dieser Annahme sind zwei grundlegende Fehler:

Das Rentenkonto ist kein Sparbuch + politische Entscheidungen haben die Rente klein gemacht

Die deutsche Rentenversicherung existiert seit über 100 Jahren, hat 2 Weltkriege, eine Weltwirtschaftskrise und auch die Finanzkrise überstanden. Worin liegt das Geheimnis:

Abhängig Beschäftigte und deren Arbeitgeber zahlen einen bestimmten Betrag des Lohnes in diese Rentenkasse. Dieses Geld wird nicht in einer großen Geldkammer wie in Harry Potters Gringotts Zaubererbank gesammelt, sondern ist eine große Umverteilungsmaschine der aktuellen Einnahmen der Rentenbeiträge. Die jährliche Renteninformation verstärkt den Eindruck der Ansammlung eines persönlichen Schatzes, ist aber lediglich eine Information über den aktuellen Punktestand, dessen Wert den gesellschaftlichen Anforderungen angepasst wird. Das macht es einerseits krisensicher und andererseits abhängig von den politischen Entscheidungen.

Das oft gehörte Argument, dass die Rente so unsicher macht, weil zu viele Alte immer älter werden und wenige Junge immer mehr Alte bezahlen müssen, scheint einleuchtend, hinkt aber, denn es lässt den Faktor der Produktivitätssteigerung völlig außer Acht. Ohne diesen Bezugsfaktor wären wir statistisch z.B. schon längst verhungert, denn 1960 ernährte ein Landwirt 17 Menschen. Da gab es auch 2 Mio Betriebe, heute sind es gerade noch ca. 200.000 Betriebe und wir sind nicht verhungert. Übringens: Das Problem der zu vielen Alten und zu wenig Jungen, scheinen Anwälte, Apotheker, Architekten, Beamte und andere mit ihren eigenen Sicherungsystemen wohl nicht zu haben …

Um bei den Rentenzahlungen nicht in Zahlungsschwierigkeiten zu kommen, gibt es die gesetzliche Vorgabe, dass der Staat Geld in Höhe von 3 Rentenmonatszahlungen vorhalten muss. Eine ungeheure Geldmenge, die bei der deutschen Bank geparkt werden und für diese Anlage muss aktuell Strafzinsen gezahlt werden. Ja, wie bescheuert ist das denn?! Die Deutsche Bank kassiert Zinsen, kann obendrein mit dem Geld auf der Welt zocken gehen. Wenn sie auf die richtige Pferde setzt, wird die deutsche Bank gefeiert, wenn sie Gewinne in Millionenhöhe generiert und an die Aktionäre auszahlt. Wenn sie sich allerdings verzockt hat, wird die Bank mit Steuergeldern, da sie ja wirklich systemrelevant ist, gerettet.

Aus der Finanzkrise haben wir wohl nix gelernt, dabei ist Solidarität doch keine Einbahnstraße

Die riesigen Geldmengen aus der Rentenversicherung werden auch gerne vom Staat selber zweckentfremdet genutzt, egal, ob es für die Deutsche Einheit oder für die Folgen der Finanzkrise war. Zunächst nix gegen einzuwenden, perfide wird es nur dann, wenn hinterher über die leere Rentenkasse gejammert wird, dann die Renten gekürzt werden und dann zur privaten Vorsorge gezwungen wird. Diese können sich allerdings nur die leisten, die es gar nicht zwingend müssten. Also ein völlig unsinniges Instrument, um armutsfeste Renten zu garantieren.

Betrug das Rentenniveau 1978 noch knapp 60%, ist es heute bei ca: 47%, soll es bis 2040 auf 42 % sinken – eine politische Entscheidung, die aber nicht unveränderbar ist.

Unser Rentensystem kann aber durchaus ein paar weitere Änderungen vertragen. Alle Berufsgruppen/alle Erwerbstätigen und dabei meine ich wirklich alle, zahlen in das gesetzliche System ein und Jede und Jeder bekommt eine armutsfeste Grundrente. Es kann doch nicht sein, dass Menschen, die 40 Jahre für den Mindestlohn und knapp darüber gearbeitet haben, in die Sozialhilfe geschickt werden. Das ist keine Alterssicherung, sondern ein Armutszeugnis. Hier muss an 2 Stellen nachgesteuert werden: Der Mindestlohn ist zu niedrig, der Niedriglohnsektor gehört abgeschafft und die Löhne müssen steigen. Und wer meint, eine armutsfeste Rente haben nicht alle verdient, der muss sich der Frage stellen, ob eine Verkäuferin wirklich weniger Rente verdient hat, wie der Autobauer am Band des Automobilwerks, ist der Kollege/die Kollegin bei der Müllabfuhr weniger systemrelevant als der Finanzmakler bei deiner Hausbank. Ist die Reinigungskraft uns bei der Lohn- und Rentenhöhe wirklich gerade mal den Dreck wert, den sie jeden Tag von uns wegzuputzen hat?? Haben Frauen wirklich 20% weniger verdient als die Männer? Und um es hier deutlich zu sagen, nicht die einen sollen zur Gleichstellung weniger verdienen, sondern es geht um eine gerechte und gleichwertige Entlohnung auf dem höheren Niveau.

Hier kann die Gesellschaft ihre solidarische Gestaltungskraft zeigen und hier ist Solidarität Zukunft!

Homeoffice hat sich im letzten Jahr zum Shootingstar entwickelt. Es ist ein sehr taugliches Instrument zur Pandemiebekämpfung und hat sich aber inzwischen zum Synonym guter Arbeit im postindustriellen Kapitalismus entwickelt. Wissend, dass nicht alle diese Arbeitsformen in Anspruch nehmen können und es vor allem die höher qualifizierten und besserverdienenden sind, sollte auch noch kritisch diskutiert werden, ob diesem Arbeitsmodell die Zukunft gehören soll. Vermeidung von Pendelzeiten stellen auch jenseits der Pandemie einen verlockenden Gewinn an Lebenszeit dar, sowie die bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit und schont das Klima. Statt sich im Lärm von überfüllten Großraumbüros zu konzentrieren, eröffnet das Homeoffice die Chance auf Ungestörtheit und einen befristeten Ausbruch aus betrieblichen Hierarchien und Kontrollsystemen. Telearbeit hat diese Vorteile reguliert ermöglicht, während das Homeoffice/Mobiles Arbeiten kaum reguliert stattfindet. Das Home hat gar kein Office und findet am wackeligen Küchentisch neben Homeschooling und Kinderbetreuung statt. Ständige Erreichbarkeit, überlange Arbeitszeiten, unbezahlte Arbeit und verkürzte Ruhezeiten sind die anderen Seiten der Medaille. Arbeit kann so weiter ökonomisiert werden. Firmen können ihre Büroräume reduzieren. Die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit verwischt nun auch räumlich und kann sich als Probelauf für ein weiteres Outsourcing von Arbeitsplätzen erweisen, denn für das Homeoffice ist es egal, ob es sich im Nachbarort oder auf einem anderen Kontinent befindet. Betriebliche Sozialbeziehungen werden zersetzt. Homeoffice darf sich nicht zum Lückenbüßer für die fehlende Bringschuld der Gesellschaft in Sachen Sorgearbeit entwickeln. Homeoffice darf sich nicht als Zone eines fehlenden oder abgeschwächten Arbeitsschutzes etablieren. Hier gilt es dringend nachzusteuern, damit nicht auf diesem Wege der weiteren Individualisierung Tür und Tor geöffnet wird und die Alltagssolidarität durch gemeinsame Arbeit und geteilte Konflikterfahrung auf der Strecke bleibt, denn nur in

der Solidarität liegt unsere Zukunft!

Beschäftigte brauchen Arbeitszeiten, die zu ihrem Leben passen und nicht umgekehrt. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen mit Arbeitszeiten, die selbstbestimmt Freiräume ermöglichen und weniger Stress machen. In der Transformation unserer Wirtschaft in der wir gerade stecken, spielen Arbeitszeiten eine maßgebliche Rolle und dabei kann Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich ein Mittel sein, um Beschäftigung zu sichern.

Die Solidarische gerechte Verteilung der Arbeitszeit ist Zukunft!

Um eine zukünftige gerechte Gesellschaft gestalten zu können, brauchen wir Investitionen:

Investitionen für mehr Klimaschutz. Hier passiert zu wenig. Um unseren erhöhten Energiebedarf bezahlbar und erneuerbar zu schaffen, brauchen wir mehr dezentrale Energiequellen, aber auch mehr Phantasie beim Energiesparen. E-Mobilität kann eine Brückentechnologie sein, taugt aber aktuell nicht wirklich, um bei der globalen CO2-Bilanz durch die Produktion und Entsorgung der Batterien als Champion da zustehen. Unsere Erde ist nicht erneuerbar und der nicht zu verleugnende Klimawandel macht bestimmte Regionen dieser Erde bereits jetzt schon unbewohnbar. Menschen, die dann als Flüchtlinge nach einem neuen Lebensraum suchen müssen, werden an den Grenzen genauso abgewiesen wie die, die durch Hunger, Armut und Kriege nach einer neuen Heimat suchen. Auch hier versagen wir leider kläglich. Ein Europa lässt sich als Friedensnobelpreisträger feiern, gibt aber Unmengen von Geldern für Rüstungsgüter und für die Verhinderung von Flüchtlingszuwanderung aus. Das christliche Abendland sieht zu, wie das Mittelmeer zum Massengrab wird und in den Flüchtlingslagern rund ums Mittelmeer menschenunwürdige Zustände herrschen.

Hier ist mehr Solidarität gefragt!

Wir brauchen Investitionen für unsere lebenslange Bildung! Der Bildungserfolg darf nicht vom Geldbeutel und Herkunft der Eltern abhängig sein. Aber genau das wird uns seit Jahren in diversen Studien bescheinigt. Unser Bildungssystem muss endlich für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. Schule sollte nicht verwertbare Arbeitskräfte produzieren, sondern sollte neben der Wissensvermittlung unseren Nachwuchs in seinen Begabungen fördern und helfen ihre Persönlichkeiten zu entwickeln. Hier kann die gerade vieldiskutierte Digitalisierung an den Schulen lediglich Mittel sein. Wenn alle Kinder ein Tablet und kostenloses WLAN zur Verfügung haben, so haben wir noch lange keine gleichen Bildungschancen. Wir brauchen flächendeckende Ganztagsschulen vor allem mit kleinen Klassen, in denen alle zusammen miteinander und voneinander lernen können.

Wir brauchen Investitionen für mehr Integration und Inklusion auf allen Ebenen!

Wir brauchen mehr Investitionen für bezahlbares Wohnen. Der Wohnraum dem Markt von Angebot und Nachfrage zu überlassen, hat sich als krasse Fehlentscheidung erwiesen. Der Staat hat sich von dieser Verpflichtung verabschiedet und Wohnraum konnte sich zum lukrativen Investitionsgut entwickeln. Mit teuren Singlewohnungen in den Metropolen lässt sich die größtmögliche Rendite erzielen, was dazu geführt hat, dass wir in diesem Segment genügend Wohnungen zur Verfügung haben. Woran es mangelt sind vom Lohn bezahlbare Wohnungen für Paare und Familien. Hier ist die öffentliche Hand verpflichtet mit dem Bau von Sozialwohnungen wieder diesen Bedarf zu decken. Dies ist zwar erkannt und wird getan, doch wird es dauern bis sich wesentlich etwas an der Situation verbessern wird. Ein bundesweiter Mietenstopp ist ein weiterer wichtiger Ansatz, wird aber nicht reichen. Wohnraum gehört zur Da-seinsvorsorge und damit in die Hand des Staates. Er darf nicht auf dem Altar des Marktes den Spekulanten geopfert werden. Denn für die ist Rendite Zukunft, während für uns Solidarität Zukunft ist!

Wir brauchen mehr Investitionen in einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst mit motivierten Beschäftigten – und zwar nicht nur in schlimmsten Krisenzeiten. Auch zur Gestaltung der Herausforderungen der Zukunft ist ein starker öffentlicher Dienst unerlässlich: Keine gute Bildung ohne ausreichend Erzieherinnen und Lehrkräfte. Keine Investitionen vor Ort ohne entsprechendes Personal für deren Planung und Durchführung. Kein wirksamer Arbeitsschutz ohne Kontrolleure.

Wir brauchen mehr Investitionen für ein solidarisches Europa mit fairer Mobilität und fairem Handel:
Mobile Beschäftigte sind nicht nur häufig Lohn- und Sozialdumping ausgesetzt. Ihre Unterbringung erfolgt unter menschenunwürdigen Bedingungen und sie arbeiten unter katastrophalen Arbeitsschutz- und Hygienebedingungen. Erntehelferinnen arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und ohne Rentenansprüche.

Diese Beschäftigten brauchen unsere Solidarität!

Europa ist einer der Verlierer dieser Krise, die Grenzen sind an vielen Stellen wieder geschlossen. Das neoliberale Austeritätsregime agiert weiter und die Spaltung zwischen und innerhalb der Länder wird größer. Vielerorts regiert aktuell der »Not-Pragmatismus«. Kann dieser Krisenschock zu einer Umkehr für ein solidarisches Europa führen? Ökologische und soziale Nachhaltigkeit müssen zusammengedacht werden, denn der Kampf gegen den Klimawandel gelingt nur, wenn er den Menschen überall Perspektiven auf ein besseres Leben bietet. Immer wieder geschehen Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung der Güter, die wir tagtäglich verbrauchen. Fairer Handel und Nachhaltigkeit kann aber nicht immer nur auf die Verbraucher abgewälzt werden. Wir brauchen eine ordentliche Gesetzgebung, die vor allem die Unternehmen in die Pflicht nimmt und dadurch die Arbeitsbedingungen auf der ganzen Welt besser werden.

Denn Solidarität hört nicht an den Landesgrenzen auf!

Wir brauchen mehr Investitionen in unser Gesundheitssystem

Krankenhäuser sind keine Wirtschaftsunternehmen, sondern sind dafür gedacht Menschen in dieser Gesellschaft nach Möglichkeit gesund zu machen und sie nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu versorgen. Das darf einer reichen Gesellschaft wie der unseren auch ruhig etwas kosten. Wenn allerdings Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen von privaten Investoren geführt werden, liegt doch wohl auf der Hand, dass denen nicht die medizinische Grundversorgung, sondern deren private Kapitalvermehrung am Herzen liegt. Es wird das medizinisch getan, was am meisten Geld bringt, mit dem minimalsten Personalaufwand. Hier stehen weder die Menschen als Patienten noch als Beschäftigte im Mittelpunkt. Darum sollte es uns nicht wundern, dass diejenigen, die sich trotz allem für den Pflegeberuf entschieden haben, diesen im Durchschnitt nach 5 Jahren den Rücken kehren. Der Dienst auf den Intensivstationen ist auch ohne Corona kein Zuckerschlecken. Im Schichtdienst über die Flure zu hetzen, ständig aus dem Frei gerufen zu werden und immer mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, nicht wirklich für den Menschen da gewesen zu sein, ist keine gute Arbeit. Zu Beginn der Corona-Pandemie waren wir froh, dass unser Ge-sundheitssystem allen Empfehlungen zum Trotz noch nicht so weit heruntergefahren zu haben. Es wurde viel geklatscht und einiges versprochen. Davon ist nicht viel übrig geblieben. Ganz im Gegenteil, die Caritas lehnte kürzlich sogar den Tarifvertrag in der Altenpflege ab, der kurzfristig für bessere Mindestarbeitsbedingungen in diesem Bereich sorgen sollte. Wir brauchen dringend bessere attraktivere Rahmenbedingungen für unser Pflege- und Gesundheitssystem, denn wenn neben einer guten Bezahlung, die Arbeit sinnstiftend und wertschätzend auf mehr Menschen verteilt wird, sind die einen sicherlich nicht nach 5 Jahren wieder weg und andere werden sich dann wieder gerne für diesen Beruf entscheiden.

Nun hör ich schon die Frage: Ja, das wäre ja alles schön, aber wer soll das bezahlen?

Großes Kürzungspotential wäre bei unserer Rüstung zu finden. Deutschland hat seine Militärausgaben auf mittlerweile knapp 45 Milliarden Euro erhöht, und nennt das Verteidigungshaushalt. Das selbst auferlegte 2%-Ziel der Nato ist damit aber immer noch nicht erreicht. Die 29 Nato-Mitglieder zusammen kommen auf die Hälfte der weltweiten Militärausgaben und werden nicht müde, das Feindbild Russland immer wieder zu befeuern und um China zu erweitern. Dabei ist es die Nato, die gerade mit deutscher Beteiligung an der ukrainischen Grenze beim sogenannten Defender-Manöver provozierend die Muskeln spielen lässt.

Auf der anderen Seite benötigen wir eine steuerpolitische Kehrtwende: Das Vermögen der deutschen Milliardäre, dass sich während der Corona-Krise sogar noch vermehren konnte, beträgt 500 Mrd. Euro. Das Vermögen hat sich seit der Jahrtausendwende nahezu verdoppelt und ist extrem ungleich verteilt. Die reichsten 10 % verfügen über 65 % und das reichste 1% sogar über mehr als 30% des Gesamtnettovermögens. Auf der anderen Seite haben 50 % der Haushalte kein Vermögen oder sogar Schulden. Die Zahl der sehr reichen Personen, die mehr als 40 Mio. € angesammelt haben, ist erheblich. Dafür müsste ein Durchschnittsverdiener 2.000 Jahre arbeiten, ohne in der Zeit auch nur einen Cent auszugeben.

Es ist offensichtlich: Geld ist zur Genüge vorhanden. Aber um dieses nutzen zu können brauchen wir ein grundlegend gerechteres Steuersystem. Steuern zahlen ist keine Strafe, sondern notwendig um unser Gemeinwesen zu finanzieren. Es ist abzulehnen, dass Menschen Steuern zahlen, die kaum Einkommen haben. Abhängig Beschäftigte und zunehmend auch die Rentnerinnen werden automatisch besteuert, ohne große Möglichkeiten auf diesen Beitrag Einfluss nehmen zu können. Währenddessen können sich Aktionäre mit einer lächerlich geringen Abgeltungssteuer von pauschal 25% und ungeachtet der Höhe ihrer Dividenden einen schlanken Fuß machen. In der öffentlichen Meinung ist Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt. Dabei sind genau diejenigen, die dem Staat mit vollem Bewusstsein Geld vorenthalten, die wahren Schmarotzer unserer Gesellschaft! Aus dem „Land der Dichter und Denker ist ein Land der Stifter und Schenker“ (Zitat Butterwegge) geworden. Dies ist eine weitere Möglichkeit dem Staat Geld vorzuenthalten und persönlich zu entscheiden, welchem Zwecke das Geld zugeführt wird.

Seit mittlerweile über 25 Jahren verzichtet unser Staat darauf, die Vermögenssteuer wieder zu erheben. Die Erben von Unternehmensvermögen werden Jahr für Jahr mit sieben Milliarden € Steuerfreiheit für ihren leistungslos erworbenen Reichtum belohnt. Wenn überbordender Reichtum weder zum Wohle der Allgemeinheit noch in sinnvolle Investitionen fließt, sondern stattdessen ins Kasino der Finanzmärkte getragen wird, muss der Staat dafür sorgen, dass diese Transaktionen besteuert und dieses Geld für unsere Zukunft und zum Erhalt unserer Umwelt eingesetzt wird.

Jetzt in eine gerechte Gesellschaft zu investieren ist möglich und ist eine Frage der Solidarität zwischen Generationen, zwischen Stadt und Land und zwischen Arm und Reich.

Solidarität ist Zukunft! – Vielen Dank!

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